Bemessung im Regelquerschnitt

 

 

 

Es gibt bei Innendämmungen nicht den einen, idealen Dämmstoff oder allgemeingültige Anforderungen an das Material, um funktionsfähige und dauerhaft sichere Ausführungen zu realisieren. Betrachtet werden muss immer das Gesamtsystem. Dazu zählen auch die vorhandenen Bauteile, auf denen die Innendämmung aufgebracht werden soll und sogar die Berücksichtigung der Situation auf der Außenseite (Schlagregenschutz, Wasseraufnahme des Putzes, Orientierung des Bauteils, Sonneneinstrahlung etc.). Nicht umsonst lautet eine der wichtigsten Regeln bei der Planung von Innendämmung: „Wer INNEN dämmen will, muss vorher AUSSEN gucken“, sich also einen Überblick über die Situation am Gebäude und zum Untergrund verschaffen.
 
Um Bauherren, Planern und Handwerkern bei der Vielzahl der zu berücksichtigenden Einflüsse trotzdem einen einfachen und verlässlichen Überblick zu geben, in welchen Bereichen Innendämmungen mit Holzfaserdämmstoff bauphysikalisch sicher ausgeführt werden können, werden nachfolgend die Untersuchungsergebnisse des vom vdnr e.V. unterstützten Forschungsprojektes „Energieeffizienzsteigerung durch Innendämmsysteme“ (EnEff-ID) [73] des FIW München und Fraunhofer IBP in komprimierter Form dargestellt. Untersuchungen zum hygrothermischen Verhalten des Regelquerschnitts für Holzfaserdämmstoffe wurden explizit im vdnr-Teilbericht 2 [74] untersucht.

Grundlagen

Nach Installation einer Innendämmung kommt es zu einer Veränderung der Temperaturverteilung über den Querschnitt des gedämmten Bauteils, verbunden mit einer Änderung des Diffusionsverhaltens und einer stetigen Verschiebung des Taupunkts in Richtung der Bestandskonstruktion. Das hygrothermische Verhalten wird deutlich verändert. Um eine übermäßige Auffeuchtung zu verhindern, darf auf Dauer im Winter nicht mehr Feuchte in die Wand gelangen, als im Sommer auch wieder austrocknen kann. Daher ist es bei der Planung einer Innendämmmaßnahme hinsichtlich des Feuchteschutzes wichtig, nicht nur die Materialeigenschaften des Dämmstoffes zu betrachten, sondern das Gesamtsystem aus Bestandswand und Innendämmung in Betracht zu ziehen.

Die Diffusionseigenschaften sind der maßgebende Faktor bei der Wahl einer bestimmten Konstruktion bzw. eines bestimmten Dämmstoffs. Die maßgebliche Kenngröße ist die wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke (sd-Wert). Der sd-Wert berechnet sich aus der Schichtdicke in Metern [m] multipliziert mit der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl μ [-]. Umso niedriger der sd-Wert, desto geringer ist der Diffusionswiderstand eines Materials.

Einem zu hohen Feuchtegehalt in der Konstruktion kann mit unterschiedlichen Funktionsweisen entgegengewirkt werden: Kondensat verhindernd, Kondensat begrenzend, Kondensat tolerierend. Zu berücksichtigen sind hierbei unter anderem die Diffusionsfähigkeit der Bestandskonstruktion, der Schlagregenschutz, das Außenklima am jeweiligen Standort und die Nutzung sowie Lüftung des Gebäudes.

Berechnungsrandbedingungen

Zur Bewertung des Regelquerschnitts wurden drei Wandbildner ausgewählt, die einen möglichst großen Teil des Gebäudebestandes abdecken sollen. Dabei wurde die Auswahl auf die mineralischen und monolithischen Konstruktionen beschränkt, die in Tabelle 2 dargestellt sind.

Tabelle 2 | Bauteilschichten der Bestandskonstruktionen Tabelle 2 | Bauteilschichten der Bestandskonstruktionen

Auf diese Bestandkonstruktionen wird eine biege- und druckfeste Holzfaserdämmplatte (Dicken: 40, 60, 80 mm) vollflächig verklebt aufgebracht. Die neue Innenoberfläche wird dann mit einer Putzschicht (10 mm) versehen. Zusätzlich zu dem innenseitigen Aufbau ist keine dampfbremsende Schicht vorgesehen.
Untersucht wurden zwei unterschiedliche Innendämmprodukte aus Holzfasern, welche die gängige Bandbreite an Produkten abdecken:

  • Innendämmplatten hergestellt im Trockenverfahren (hydrophobiert) mit λD = 0,040 W/(m K)
  • Innendämmplatten hergestellt im Nassverfahren (nicht hydrophobiert) mit λD = 0,043 W/(m K)

Die kompletten Sätze an Materialeigenschaften wurden im Rahmen der Arbeiten für den EnEff-ID vdnr-Teilbericht 1 [75] bestimmt und können dort detailliert eingesehen werden.
 
Durch eine zusätzliche Hydrophobierung wird die Aufnahme von Wasser in den Fasern beschränkt und auch verhindert, dass der Dämmstoff zu viel Feuchte aus dem Bestandsmauerwerk aufnimmt. Bei nicht hydrophobierten Holzfaserplatten ist hingegen die feuchtepuffernde Wirkung höher, sodass mehr eindringende Feuchte sorptiv gebunden werden kann. Das Vorhandensein einer Hydrophobierung beeinflusst das hygrothermische Verhalten daher deutlich. Folglich wurden Simulationen für beide Fälle separat durchgeführt und sind im EnEff-ID vdnr-Teilbericht 2 [74] getrennt nach den Produkten dargestellt. Um einen schnellen Überblick zu gewährleisten, werden in diesem Rahmen jedoch die unterschiedlichen Produkte zusammengefasst und für die jeweilige Berechnungsvariante nur das jeweils am schlechtesten bewertete Produkt dargestellt (Worst-Case-Prinzip).
Die zur Bewertung des Regelquerschnitts verwendeten Variationsparameter sind in Tabelle 3 dargestellt.
 

Tabelle 3 | Variationsparameter zur Bewertung des Regelquerschnitts Tabelle 3 | Variationsparameter zur Bewertung des Regelquerschnitts

Bewertung des Regelquerschnitts

Bewertungsgrößen

Die angewandten Bewertungskriterien sind in Tabelle 4 nach dem Ampel-Prinzip zusammengefasst. So sind grün gekennzeichnete Varianten grundsätzlich als unkritisch zu betrachten. Eine gelbe Kennzeichnung kann verschiedene Ursachen haben. Eine Innendämmung mit Holzfaser ist aber grundsätzlich möglich. Es muss jedoch im Einzelfall betrachtet werden, ob bestimmte zusätzliche Anforderungen erfüllt sind. Welches Überprüfungskriterium bzw. welche Überprüfungskriterien für die jeweilige Variante maßgeblich für ein Funktionieren der Konstruktion sind, kann dem EnEff-ID vdnr-Teilbericht 2 [74] entnommen werden. Bei rot markierten Varianten können Holzfeuchten von mehr als 18 Masse-% auftreten. Zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde dieses Kriterium als strenge Grenze für Holzwerkstoffe im konstruktiven Holzbau aus DIN 68800-2 [53] in Analogie auch für Dämmstoffe herangezogen. Hinsichtlich Schäden ist dieser in der Norm angegebene Grenzwert mit hohen Sicherheiten verbunden. Das gilt insbesondere für niedrige Temperaturen an der Grenzfläche der bestehenden Wand zum neuen Innendämmsystem und während der Heizperiode.
 

Tabelle 4 | Bewertungsgrößen für die hygrothermische Bewertung des Regelquerschnitts Tabelle 4 | Bewertungsgrößen für die hygrothermische Bewertung des Regelquerschnitts

Ergebnisse

Die zusammenfassende Bewertung der untersuchten Varianten für eine um 5%-Punkte erhöhte normale Feuchtelast¹ ist in Tabelle 5 zusammengefasst.
(¹ Feuchtelast „ normale Belegung + 5% (Bemessung) ” gem. WTA Merkblatt 6-2 [76] bzw. Bild D.1 in DIN 4108-3:2018-10 [29])

 

Tabelle 5 | Zusammenfassende Bewertung der hygrothermischen Simulationsergebnisse Tabelle 5 | Zusammenfassende Bewertung der hygrothermischen Simulationsergebnisse

Als kritisch (rote Kennzeichnung) werden in der Regel nur Systeme mit höheren Dämmstoffdicken und ohne dampfbremsende Schicht an der raumseitigen Oberfläche eingestuft. Jedoch spielt hier vor allem der Standort eine entscheidende Rolle: So tritt das Versagenskriterium am Standort Potsdam (SBG 1) mit der geringsten Schlagregenbelastung nie und auch am Standort Hamburg (SBG 2) nur für eine Variante (maximale Dicke ohne dampfbremsende Schicht) ein. In Holzkirchen (SBG 3) sind ebenfalls alle Varianten ausführbar, solange eine moderat dampfbremsende Schicht mit einem sd-Wert innen von 2 m vorhanden ist.
Auch für die gelb markierten Varianten lässt sich eine klare Korrelation mit dem Standort feststellen: So sind in Potsdam lediglich für 2 Varianten (Betonhohlblock-Mauerwerk, höchste Dämmdicke ohne dampfbremsende Schicht) zusätzliche Untersuchungen notwendig. Auch am Standort Holzkirchen kommt es lediglich für das Betonhohlblock Mauerwerk ohne dampfbremsende Schicht zu Varianten, die im Einzelfall betrachtet werden müssen. In Hamburg ist dies für alle betrachteten Konstruktionen vor allem bei westlicher Orientierung der Fall. Auch zusätzliche dampfbremsende Schichten können nicht immer dazu beitragen, dass keine zusätzlichen Untersuchungen vorgenommen werden müssen.

 

Auch eine Vielzahl an diffusionsoffenen Lösungen ist möglich. Dabei lässt sich feststellen, dass sich bei 5% erhöhter (hier dargestellt) oder hoher Feuchtelast nach WTA Merkblatt 6-2 [76] nahezu alle Varianten mit zusätzlichem sd-Wert von 2 m als unkritisch erweisen. Genauer untersuchen sollte man allerdings sehr kühle und exponierte Standorte, wie z. B. höhere Lagen in Mittelgebirgen und dem Alpenvorland. Bei normalen Feuchtelasten (gemäß WTA 6-2 bis zu relativen Feuchten von maximal 60 % im Innenraum) und durchschnittlichen Schlagregenmengen (SBG 1 und 2) sowie bestehendem Schlagregenschutz funktionieren hingegen sämtliche Konstruktionen. In diesen Fällen können auch bevorzugt Systeme eingesetzt werden, die ohne dampfbremsende Schicht auskommen.

[73] M. Engelhardt et al., „Energieeffizienzsteigerung durch Innendämmsysteme: Anwendungsbereiche, Chancen und Grenzen: Forschung für energieeffiziente Gebäude und Quartiere“, FIW München und Fraunhofer IBP; 2019 [Online]. Verfügbar unter URL: tinyurl.com/yc5kesj6
[74] T. Schöner, H. Künzel, K. P. Sedlbauer und D. Zirkelbach, „Untersuchungsbericht VHD: Holzfaserplatte Nassverfahren − nicht hydrophobiert und Holzfaserplatte Trockenverfahren − hydrophobiert: Teil 2: Hygrothermische Parameterstudie im Regelquerschnitt“. Erarbeitet im Rahmen des Forschungsprojekts: „Energieeffizienzsteigerung durch Innendämmsysteme“, FIW München und Fraunhofer IBP; 2018
[75] C. Fitz, H. Künzel, K. P. Sedlbauer, C. Maderspacher, C. Sprengard und A. Holm, „Untersuchungsbericht VHD: Holzfaserplatte Nassverfahren − nicht hydrophobiert und Holzfaserplatte Trockenverfahren − hydrophobiert: Teil 1: Materialspezifische Untersuchungen“. Erarbeitet im Rahmen des Forschungsprojekts: „Energieeffizienzsteigerung durch Innendämmsysteme“, FIW München und Fraunhofer IBP; 2018
[53] DIN 68800-2:2022-02 Holzschutz – Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau
[76] WTA-Merkblatt 6-2: Simulation wärme- und feuchtetechnischer Prozesse; 2016
[29] DIN 4108-3:2018-10 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden - Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz - Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung